Vorteil Lieferkettengesetz – ein unbekannter Kostenvorteil für Unternehmen

Thomas Dürmeier Lieferkettengesetz

Management und Wirtschaftslehre für verbindliche Menschenrechte

Armin Paasch (Misereor) beziffert die Kosten auf 0,005 Prozent.

Arbeitsgeberverband BDA: Die hohen Mehrbelastungen können wir uns mit Corona nicht leisten.

 

Es gibt zwei gegensätzliche Standpunkte für und gegen verbindliche Menschenrechtspflichten für Unternehmen. Wenn wir auf Kinderarbeit, Arbeitsschutz oder Gewerkschaftsrechte bei unseren Zulieferern achten, dann steigen unsere Kosten noch mehr. Armin Paasch zitiert die Kostenschätzung der Europäischen Union, was Unternehmen für ein Lieferkettengesetz verlieren werden. Die Wissenschaftler*innen kamen auf 0,005 Prozent vom Unternehmensumsatz. Andere wie der mittelständische Outdoor-Hersteller Vaude schwören auf Menschenrechte und Naturschutz als Wettbewerbsvorteil und als Schutz vor den Corona-Folgen in der Lieferkette. Dort unüberwindbare Kosten, für die EU Peanuts oder steigern Menschenrechte Unternehmenserfolg und senken Kosten? Wer hat Recht? Unsere Analyse der Forschungsliteratur zeigt, dass verbindliche Menschenrechte ein Kostenvorteil sind und bestimmte Kostenarten zum Vorteil aller verschiebt. Die Managementlehre und die Wirtschaftswissenschaften haben zahlreiche analytische und empirische Belege hierfür.

1. Mit Menschenrechten in der Lieferkette besser durch Corona

„Commitment zahlt sich aus: Der ROI von Nachhaltigkeit.“ Auf normalverständliches Deutsch heißt dies, dass Unternehmen, die Menschenrechte achten (=Commitment), höhere Gewinne (ROI = Return on Investment = Profit auf das eingesetzte Kapital) erzielen. Ecovadis schreibt am 19. Mai diesen Jahres einen Blogbeitrag, wo Menschenrechtsstandards in Lieferketten die Widerstandsfähigkeit vor Corona-Turbulenzen erhöhen. Im Alltagsgeschäft von Vaude, in unzähligen Zeitungsartikel oder empirischen Umfragen wird dies nochmals klar bestätigt. Unternehmen, die Menschenrechte und Naturschutz ernst nehmen, kommen im Allgemeinen besser durch Corona, weil sie ihre Lieferkette kennen und mit der Achtung der Menschenrechte deren Zulieferbetriebe Corona leichter überstehen. Warum ist das so? Ist das auch so ohne Corona-Krise?

2. Menschenrechte können sogar unternehmerische Kosten senken

Auch außerhalb von Corona belegen zahllose empirische Umfragen diesen Sachverhalt. Hier eine kleine Auswahl:

McKinsey (2016): „Supply Chain 4.0“ https://www.mckinsey.com/business-functions/operations/our-insights/supply-chain-40–the-next-generation-digital-supply-chain

PriceWaterCoopers (2013): „Next-generation supply chains: efficient, fast and tailored“ https://www.pwc.com/gx/en/consulting-services/supply-chain/global-supply-chain-survey/assets/pwc-next-generation-supply-chains-pdf.pdf

Ecovadis Sustainable Procurement Barometer (2019): „From Compliance to „ https://resources.ecovadis.com/de-whitepaper/2019-sustainable-procurement-barometer-from-compliance-to-performance.

Für PriceWaterCoopers, eine der führenden Unternehmensberatungen, können Menschenrechte eine 70% höhere wirtschaftliche Leistung im Unternehmen bewirken. Die Unternehmensberatung McKinsey verabschiedet sich sogar vom Konzept, Beschaffung als Kostenfaktor zu sehen und sieht in Lieferketten ein zentrales und vorteilhaftes Differenzierungsmerkmal für das Unternehmen. Bei einer großen Umfrage von Ecovadis gaben 25 % der befragten Unternehmen sogar an, dass menschenrechtliche Sorgfalt in der Beschaffung sogar Kosten einspart. Warum ist das so?

3. Ausbeuterische Überwachungskosten VS. Achtsamkeit für hohe Produktivität und Motivation

Die Erklärung ist eigentlich ganz einfach. Der Grundsatzartikel „Economic and social upgrading in global value chains“ aus dem Jahre 2011 des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler William Milberg fasst die Argumente unter dem Begriff „social upgrading“ klar zusammen. http://www.capturingthegains.org/pdf/ctg-wp-2011-6.pdf

Wer arbeitende Menschen in seiner Fabrik unter menschenunwürdigen Bedingungen ausbeutet ist wie ein Sklaventreiber, der permanent Menschen kontrolliert und bestraft. Viele Mitarbeiter*innen kündigen innerlich soweit es geht und werden in der Knochenmühle der gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen aufgerieben. Neue Arbeitssuchende lösen die ausgebeuteten Opfer in diesen unmenschlichen Fabriken ab. Die hohen Kontrollkosten und geringe Arbeitsproduktivität bei hohem Wechsel der arbeitenden Menschen kennzeichnen die Sweatshop-Produktionsstätten. Viele dokumentieren diesen Horror:der Weltbestseller „No Logo“ von Naomi Klein, unzählige Publikationen von uns oder die Datenbank vom Business &Human Rights Resource Center (https://www.business-humanrights.org/ ) sortiert Menschenrechtsverletzungen nach Unternehmen.

Wo Menschenrechte geachtet werden, ist die Arbeitsproduktivität höher, weil bei längerfristiger Beschäftigung in Ausbildung der abhängig Beschäftigten investiert wird und existenzsichernde Löhne Lebensrisiken absichern, Ängste abbauen und stabile Lebensverhältnisse ermöglichen. Die höheren Aufwendungen für Kontrolle und Umsetzung der Menschenrechte in der Lieferkette ist mehr als der Vergleich von Preisen und die Qualität der Produkte, aber führt sogar zu Kosteneinsparungen. Die folgende Tabelle aus dem obigen Beitragsbild fasst die Argumente nochmals zusammen.

Fazit:

Wie können wir jetzt noch das Kosten-Argument des Arbeitgeberverbands (BDA) erklären? Und warum ist in Frankreich das dortige Lieferkettengesetz nur ein neuer Ausgabenposten?

Wer Menschenrechte in seiner Lieferkette integriert, ob freiwillig und unternehmerisch klug oder verbindlich per Gesetz, muss seinen Umgang mit Zulieferbetrieben umstellen. Das bedeutet einen großen Wandel im Einkauf und im Umgang mit abhängigen und schwächeren Unternehmen im globalen Süden. Aus diesem Grund brauchen wir dringend ein Gesetz, damit es für alle insgesamt noch billiger wird. Statt Kostendruck und Wettbewerbsdruck braucht es nun Verständnis und Gespräche. In Frankreich haben Beratungsfirmen teure Papiere für die Firmen erstellt, um Haftungsansprüche bei Klagen gegen Menschenrechtsverletzungen abzuwehren. Das ist genauso wie damals die US Autoindustrie, die tödliche PKWs in Kauf genommen hat, weil es billiger war die Opfer zu entschädigen als die Produkte zu verbessern (vgl. Ralph Nader (1965); Unsafe at Any speed).

Wer sich eigenen Vorteilen aus Bequemlichkeit und kurzfristigem Denken verweigert, sollte seine Unternehmensphilosophie der Innovation hinterfragen. Wer den Unternehmensgewinn gefährdet, handelt gegen die Eigentümer und arbeitenden Menschen.

Das eigentliche und wichtigere Argument ist aber, dass Menschen und Natur über dem egoistischen Profitstreben eines Unternehmens stehen. Die Würde des Menschen ist unantastbar und darf nicht dem Gewinnstreben einer Firma oder dem Konkurrenzzwang des Marktes untergeordnet werden. Gewinne ohne Gewissen brauchen einen gesetzlichen Rahmen. Wenn es für Unternehmen, die Wirtschaft insgesamt und alle Menschen (Ausnahme rückwärtsgewandte Manager) vorteilhaft ist, auf was warten wir noch. Wir haben doch die Wirtschaft dafür, dass es uns allen besser geht. Kinderarbeit, Vergiftung am Arbeitsplatz oder Ermordung von Gewerkschaftler*innen haben keinen Platz in einer menschenwürdigen Wirtschaft und sollten Teil der Geschichtsbücher für das 18. Jahrhundert sein.

Viele Unternehmen wie Nestle, EDEKA, Vaude oder Daimler haben die Vorteile fürs eigene Unternehmen erkannt und werben für ein Lieferkettengesetz. Viele Länder wie die Niederlande, England, die Schweiz oder Finnland haben schon oder machen gerade ein Lieferkettengesetz. Unser extrem breites Bündnis aus Gewerkschaften, Umweltverbände, Entwicklungsorganisationen und Menschenrechtsgruppen und wir von Goliathwatch fordert ein Lieferkettengesetz. Auch der Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU und der Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD wollen ein Lieferkettengesetz. Die neu gewählte Kommission der Europäischen Union hat für nächstes Jahr eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht. Auf was wartet unsere Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel noch?