Demos, Wahlen, Kleben oder Onlinepetition: nichts davon rettet das Klima, sondern…
Dr. Thomas Dürmeier, Geschäftsführer Goliathwatch
16, Oktober 2023
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Warum ist Goliathwatch mit wenigen Aktiven erfolgreich? Warum geht bei Fridays for Future und insbesondere der Letzten Generation so wenig voran? Mit welchen Aktivitäten retten wir das Klima und schaffen ein gutes Leben für alle?
Die Antworten liegen in der politischen Strategie. Konzepte wie Handschlag/-abdruck, Campaigning, Community Organizing oder radikaler Reformismus sind zentral wichtig, während Ideen wie der ökologische Fußabdruck, Konsumentensouveränität oder Petitionen uns nicht weiterbringen. Kurz gesagt: Das Schlagwort „Die Politik“ zeigt, dass wir eine viel zu mittelalterliche Vorstellung von Demokratie haben.
Wir antworten bei Goliathwatch immer mit der Vier-Felder-Matrix aus Alternativen leben, Bildung, Protest/Widerstand und politischen Mehrheiten auf die Frage, wie wir gemeinsam unsere Gesellschaft mitgestalten können. Im Folgenden will ich das kurz erläutern und weiterführende Literaturverweise dazu geben.
Die bessere Welt gibt es nicht bei EDEKA
Wir werden mit dem Kauf von fairem Kaffee oder Biogemüse nicht die konventionelle Landwirtschaft von Nestlé oder Bayer-Monsanto beenden. Alternative Kaufentscheidungen sind trotzdem wichtig. Sie zeigen, dass es anders sein könnte. Alternative Unternehmen entstehen. Alternative Produkte werden entwickelt. Finanzströme fliehen aus Rüstung und Klimazerstörung und landen in sozial-ökologischen Firmen. Wo liegt deine Privatrente? (Verweis VenGa https://venga-ev.org ) Trinkt ihr das Blut der Ausgebeuteten in der Firmenmeeting oder habt ihr fairen Biokaffee und Tee? Alternative Konsum- und Lebensmuster zeigen im Kleinen die bessere Welt, aber Konsum allein reicht nicht aus.
Bildung ist unpolitisch
Wird ein Bildungsurlaub oder ein politischer Rundgang die Welt verändern? Einige Menschen kamen über unsere Bildungsangebote zu uns oder wurden woanders aktiv. Bildung hilft, die Welt zu verstehen, Alternativen zu finden und effektive Tools zu lernen, um die Welt mit anderen zu verändern. Bildung ist super, aber wird auch allein nicht die Welt verändern. Greta Thunberg hat die Schule am Freitag boykottiert, um mehr Zeit für politischen Aktivismus zu haben. Bildung bringt nur das Wissen. Das Handeln kommt durch richtigen Aktivismus.
Demos und Kleben allein stoppen die Klimaschäden nicht
Was ist aber richtiger Aktivismus. Über die Blockadeaktion der Letzten Generation können wir uns lange austauschen. Einiges spricht dafür, anderes aber auch dagegen. Wichtig ist, dass Menschen auf die Straße gehen und in der Öffentlichkeit ihre Stimme erheben. Wir müssen Druck auf Entscheider:innen ausüben. Unsere öffentlichen Aktionen haben den Druck auf Google so stark erhöht, dass heute nicht mehr die Ergänzung „Lüge“ oder „Mythos“ zum Suchbegriff „Klimawandel“ vorgeschlagen wird. Hinter der Aktion standen nur 3 Leute, die aber die Internetrealität von Millionen verbessert haben. Stop HateSearch.
Infotische, Gespräche, Demos, kreative Druckkampagnen und viele mehr sind zentrale Aktionen, um mit Kampagnen und in Gruppen die Welt zu verändern. Wir empfehlen dringend, sich mit Campaigning-Strategien wie der „Organizer-Spirale“ https://www.buergergesellschaft.de/praxishilfen/kampagnen-und-aktionen/die-organizer-spirale/ vertraut zu machen oder z.B. den Podcast „Was tun“ https://was-tun.podigee.io zu hören. Unsere Aktionen sind nur so gut, wie ihre Planung. Richtige Planung und Konzeption beginnt mit Wissen über effektiven Aktivismus.
Parteien und Parlamente sind keine Einbahnstraße
Warum haben aber dann die riesigen Demos der Fridays oder die Klebeaktionen der Letzten Generation bisher so wenig bewegt? Ganz einfach, weil die politischen Mehrheiten noch nicht überzeugt wurden. Demokratie heißt Herrschaft des Volkes. Nicht Olaf Scholz regiert das Land, sondern wir alle. Parteien, die wirklich starken Klimaschutz wollen, haben bisher kaum hohe Prozentpunkte im Bundestag. In unserem breiten Bündnis für ein starkes Lieferkettengesetz war es anders. Wir hatten die Mehrheit in der Merkel-Scholz-Regierung überzeugt und mit Druck von der Straße und unzähligen Gesprächen mit Ministerien oder Verbänden die Mehrheit gewonnen.
Es gibt nicht DIE POLITIK da oben, sondern es ist ein Wechselspiel aus Argumenten, Druck von den Straßen und alle vier Jahren Wahlen. Mit Leuten in Parteien interagieren. Öffentlich über Politik diskutieren und Druck ausüben. Wann hast du zuletzt mit deiner Bundestagsabgeordneten gesprochen?
Wenn wir alle vier Elemente, also Alternativen leben, uns politisch schlau machen, protestieren und unsere Stimme ins Parlament tragen, dann werden wir gemeinsam radikale Reformschritte erreichen. Gemeinsam unsere Hände heben statt alleine mit dem kleinen Geldbeutel einkaufen gehen. Demokratie wirkt.
Fortbildungsmöglichkeiten gibt es z.B. hier:
Campus für weltverändernde Praxis: https://weltveraendern.org
Zukunftspiloten: https://kurs-z.de
Bewegungsakademie: https://bewegungsakademie.de
Selbstlernkurse Organisiert-euch https://organisiert-euch.de
350.org Materialsammlung https://350.org/de/ressourcen/
Weiterführende Literatur:
Midwest Academy: Organizing for social change https://midwestacademy.com
Tools und Theorie von Marc Amann und Co https://weltveraendern.org/tools_und_theorien/
Forschungsjournal Soziale Bewegungen https://forschungsjournal.de
Felix Kolb (2002): Soziale Bewegungen und politischer Wandel (80 Seiten) http://alt.share-verein.de/mass.pdf
Berater:innenpool der Bewegungsstiftung https://www.bewegungsstiftung.de/gut-zu-wissen/foerderungen/beraterinnenpool